Die sichere Versorgung mit elektronischen Bauteilen ist von zunehmender strategischer Bedeutung für den Industriestandort Deutschland. Durch die zunehmende Verlagerung der IC Fertigung in außereuropäische Regionen steigt die Anfälligkeit für das Einbringen von Schad- und Spionagefunktionen in von Auftragsfertigern (Foundries) gelieferte Bauteile. Gleichzeitig steigt die Gefahr der Entwendung von geistigem Eigentum an Schaltungsdesign (IP) durch Dritte. Das Projekt „Vertrauenswürdige Elektronik: Tech-for-Trust“ T4T soll der heimischen Industrie Tools für einen Zugang zu sicheren Lieferketten und vertrauenswürdiger Elektronik zur Verfügung stellen.
Das Hauptziel des Projektes liegt in der Ermöglichung einer sicheren Lieferkette durch verteilte Fertigung (Split-Manufacturing). Im Gegensatz zu bereits bestehenden Konzepten wird hier ein neuer Ansatz entwickelt, bei welchem die Zusammenführung der verteilt hergestellten Siliziumkomponenten in der Aufbau- und Verbindungstechnik erfolgt. Dies soll sowohl auf Wafer-to-Wafer Basis als auch in Form von Chiplets erfolgen. Dazu werden die entsprechenden Herstellungstechnologien und ein übergreifendes Designverfahren entwickelt. Weiterhin wird die Möglichkeit zur Einbringung eines quantensicheren kryptografischen Schlüssels in einen Waferverbund während der Waferherstellung geschaffen, wodurch eine hohe Fälschungssicherheit erreicht wird.
Durch den Einsatz hochmoderner Verfahren in der Aufbau- und Verbindungstechnik soll die Basis für eine Plattform zur sicheren verteilten Herstellung von Bauelementen auf Waferbasis geschaffen werden, wobei die finale Zusammenführung der Funktionen am Standort Deutschland erfolgt. Dies wird der deutschen Industrie auch in Zeiten einer weltweit verteilten Produktion die Kontrolle über den Schutz der Produkte vor Manipulation und IP Diebstahl ermöglichen.
Für die angestrebte verteilte Fertigung sind unterschiedliche Herstellungstechnologien und Prozesse zu kombinieren. Dazu werden die für die Zusammenführung der in verteilter Fertigung mittels Wafer-to-Wafer Bonden hergestellten Funktionalitäten benötigten Technologiemodule entwickelt. Weiterhin sind die wichtigsten technologischen Prozesse für die Herstellung eines Chiplets zu entwickeln. Es sollten die Technologien für hochdichte Verbindungen (10μm Pitch, 5μm Durchmesser) auf der Seite des Chiplets entwickelt werden, um später das Assembly von dünnen Chiplets auf Si-Interposer oder auf einem größeren Träger-IC zu realisieren. Für die Einbringung des kryptografischen Schlüssels soll ein NVM Array in einem Wafer integriert und dieser danach funktional über Direktbonden eines zweiten Wafers auslesbar gemacht werden.
Die Projektpartner befassen sich mit der Erstellung eines übergeordneten Multi-Prozess- bzw. Split Manufacturing-Designflows. Übergeordnet bedeutet, dass der Designflow durch Modularisierung unterschiedliche Herstellungstechnologien und Prozesse abbildet und dadurch allgemeingültig bleibt. Im Rahmen des Projekts soll ein geeignetes Gesamtkonzept entwickelt und ausgewählte Bestandteile integriert werden. Dazu werden alle nötigen Designflowkomponenten sowie Schnittstellen zwischen einzelnen Werkzeugen/Entwurfsschritten entwickelt und implementiert. Ein Hauptaspekt sind hierbei die Schnittstellen zwischen verschieden Designwerkzeugen, die typischerweise für die verschiedenen Komponenten der Demonstratoren eingesetzt werden. Um einen durchgängigen Designflow zu erreichen, ist ein geordneter Datentransfer zwischen den verwendeten Softwarewerkzeugen zwingend notwendig. Dies gilt sowohl für die Phase des Designs als auch für die Verifikation.
Mehrere Arbeitspakete im Projekt zielen auf eine Demonstration der im Projekt entwickelten Lösungen. Dazu zählt zum einen die Demonstration einer einheitlichen Designmethodik und dem der Methodik übergeordnetem Designflow, um zu zeigen, wie die Entwicklung für vertrauenswürdige Elektronik unter Verwendung von verteilter Fertigung aussehen kann. Zum anderen wird es mehrere technologisch fokusierte Demonstratoren mit Teststrukturen geben, welche die unterschiedlichen Fertigungstechnolgien in den Fokus rücken. Dazu zählt etwa das hermetische hybride Waferbonden von MEMS und ASIC Wafern, die Fertigung und Integration eines Speicherarrays inklusive Verschlüsselung, Chiplet/Interposer-Integration sowie ein Anwendungsdemonstrator für ein intelligentes Anzeigeelement.
Ein weitere Aspekt ist die Berücksichtigung existierender und zukünftiger industrieller Wertschöpfungsketten und die strategische Platzierung von fortschrittlichen und eigenverfügbaren Integrations- und Packagingtechnologien für Deutschland und Europa. Ein Bestehen im internationalen Wettbewerb soll dadurch gestärkt werden. Um eine wettbewerbsfähige und dauerhafte Führungsposition aufzubauen, sind eine Vielzahl von Forschungs-, Entwicklungs- und Transferaktivitäten einzurichten und zu verstetigen. Es ist zu verzeichnen, dass aus den verschiedensten Anwendungsbereichen immer individuellere und komplexere Systeme gefordert werden, für die mit ihren spezifischen Eigenschaften oft nur kleine bis mittlere Stückzahlen nötig sind und die so große Herausforderungen an standardisierte Vorgehensweisen zur Gestaltung von Produktionsprozessen, der Arbeitsteilung, Lieferkette, der Kosten und aufgesetzten Business-Modelle stellen.